eine buchessenz der Friedrich Ebert Stiftung working class warum wir Arbeit brauchen von der wir leben können von Julia Friedrichs erschienen 2021 im berlinverlag Berlin München kurz gefasst und eingeordnet von Meike Rocker buchessence Kernaussagen angereichert mit manigfaltigen Forschungs und medienzitat Literaturhinweisen und Auszügen aus Interviews mit WissenschaftlerInnen und Politikerinnen schildert Julia Friedrich den Istzustand der gesellschaftlichen Ungleichheit in Deutschland besonders die Kluft zwischen Kapital und Arbeit sie erläutert anschaulich wie und warum diese Kluft in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen ist den Kern des Werks bilden drei langzeitreportagen über Menschen die teils ohne teils mit bester Ausbildung trotz intensiver Anstrengung bei Vollzeitarbeit nur knapp über die Runden kommen und kaum Rücklagen für die unvorhersehbaren Lebensereignisse bilden können Sie alle sehen kaum Möglichkeiten für sich diesen Status zu überwinden und aufzusteigen sie träumen vergebens von der Sicherheit einer Festanstellung die Krankheit und andere Lebensrisiken abwedert oder von einem Stundenlohn der zwei Vollzeit arbeitenden Eltern mit zwei Kindern ein gutes Leben ohne staatliche aufstockungshilfen ermöglicht die coronapandemie die ig in die Zeit der Reportagen fällt erzeugt zusätzlichen Druck auf die prekären jobsituationen Bewertung aus Sicht der sozialen Demokratie die Autorin zeigt auf das demokratische versprechen dass Leistung sich auszahlt gilt offenbar nicht mehr sie hinterfragt wenn es gesellschaftlicher Konsens ist dass die Arbeit als Musikschullehrerin oder als u-bahnhofreiniger notwendig sind warum lässt es die Gesellschaft warum lässt es die Politik zu dass dies Berufe kein auskömmliches Leben ermöglichen Julia Friedrichs gibt hier der einen Hälfte der Gesellschaft eine Stimme die dauerhaft nah am wirtschaftlichen Abgrund lebt und legt so den Finger in die Wunden politischer gerechtigkeitserzählungen Buchautorin Julia Friedrichs 1979 im Münsterland geboren hat Journalistik in Dortmund und Brüssel studiert und lebt in Berlin sie arbeitet als Autorin von Dokumentationen und Reportagen für verschiedene med unter anderem für ARD ZDF und die Zeit für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Preise unter anderem 2019 den grimmepreis Buchinhalt der Istzustand der ökonomischen Verhältnisse unmittelbar vor der Pandemie der Wohlstand wächst die Zahl der Erwerbstätigen auch der Staat nimmt so viel Steuergeld ein wie nie zuvor aber der Wohlstand ist sehr ungleich verteilt die wohlhabendsten 10% der Bevölkerung halten 60% des netto haushaltsvermögens ihr Vermögen hat sich seit den 1990ern inflationsbereinigt sogar verdoppelt das reichste Prozent allein verfügt über etwa 35%. etwa die Hälfte dieses persönlichen Reichtums ist ererbt oder wurde geschenkt die Mehrheit der Menschen in diesem Land hat hingegen kaum Kapital und kein Vermögen die nach Vermögen untere Hälfte der Haushalte ist in den zurückliegenden Jahrzehnten sogar ärmer geworden ein Drittel der Bevölkerung gibt fragungen an keine unerwarteten Ausgaben von 1000 € stemmen zu können diese Menschen sind angewiesen auf den Ertrag der Arbeit ihrer Hände und ihrer Köpfe für sie gilt Nettoeinkommen gleich Monatsbudget ohne rücklagennetz oder notfallfamilienvermögen Julia Friedrichs übernimmt für Sie den britischen Begriff working class denn das deutsche Bild des Arbeiters oder der Arbeiterin passt auf viele von ihnen nicht mehr 3 Millionen Menschen in Deutschland verdienen weniger als 2000 € brutto trotz Vollzeitarbeit 10 Millionen Menschen bekommen weniger als 12 € Lohn pro Stunde erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wird eine Generation nicht in der Mehrheit die eigenen Eltern wirtschaftlich übertreffen obwohl das Volkseinkommen preisbereinigt seit 1980 um über 50% gestiegen ist ist die soziale Marktwirtschaft mit dem Versprechen Wohlstand für alle am Ende kann man ihn sich noch aus eigener Kraft erarbeiten falls nein wie sollte die Gesellschaft damit umgehen wie soll Politik hier eingreifen Julia Friedrich webt ihr weitgehend chronologisches Feature aus beispielbiografien von Menschen die sie vom Sommer 2019 bis zum coronaherbst 2020 begleitete Beispiel 1 Alexandra und Richard sind Musikschullehrer alexandra hat einen Doktortitel in Musik und das Konzertexamen für Klavier gerne wären sie fest angestellt bei den städtischen Musikschulen doch TV edanstellungen gibt es kaum mehr so arbeiten Sie als Freiberufler maximal 14,67 Stunden dürfen Sie wöchentlich pro staatlicher Musikschule unterrichten damit sie sich nicht auf eine Festanstellung einklagen können deshalb arbeiten sie an sechs unterschiedlichen Schulen für 45 Minuten erhalten Sie zwischen 21 und 27 € aber Sozialabgaben und Versicherungen sind davon noch nicht bezahlt es gibt kein Geld bei Krankheit kein Weihnachtsgeld während der Schulferien verdienen sie keinen Cent beide zusammen geben über 60 Stunden die Woche so kommen sie auf jeweils etwa 1600 € im Monat wenn niemand krank wird das ist ihre große Angst denn dann breäche ihr mühevoll gebautes Leben in kürzester Zeit zusammen sie haben sich vor 11 Jahren in der Provinz ein Haus gekauft entscheidend war der Preis es musste unter 200.000 € Kosten damit sie es finanzieren können 1300 € zahlen Sie für Zinsen Tilgung Strom Wasser Ölheizung für Erneuerungen ist kein Budget da da der Unterricht nachmittags und am Abend stattfinden muss ist das disziplinfdernde Arrangement mit der Zweitklässlerin und dem teenagersohn dass der Sohn in der Zeit wenn die Eltern arbeiten die Schwester betreut die Familie ist gemeinsam wenn beide Eltern zu Hause sind der Sohn will nun auch Berufsmusiker werden die Eltern sind hin und her gerissen zwischen stolz und dem Gefühl dem Kind diesen Wunsch Ausreden zu müssen die coronapandemie Tr die Familie mit voller Wucht einige Musikschulen verweigern zunächst den digitalen Unterricht große Verdienstausfälle sind die Folge Alexandra übernimmt deshalb vormittags zusätzlich einen 450 € Job als seniorenassistentin staatliche Hilfen beantragen Sie erst im Mai als sie es nicht mehr alleine aus den wenigen Rücklagen schaffen doch da sind die Töpfe die auch Lebenshaltungskosten bezuschussen bereits geschlossen Beispiel 2 said ungelernt reinigzeit 18 Jahren Berliner U-Bahnhöfe bei einem Subunternehmer der BVG Bahnsteige Treppen Ausgang eine mitunter gefährliche Arbeit denn die Elenden werden mehr die das Ausleeren der Mülleimer in denen vielleicht noch Pfandflaschen sind als Bedrohung wahrnehmen auch empfindet er dass der Respekt vor seiner Arbeit stetig sinkt alte Kollegen erzählen von der Zeit in den 80ern als die Reinigung noch direkt von der BVG übernommen wurde man gehörte selbstverständlich zur BVG Familie bekam ekelzulagen für urinode oder Erbrochenes said bekommt nicht mal ein Jobticket said verdient im Herbst 2019 pro Stunde 10,56 € brutto 1600 € im Monat wenn sein Verdienst so bleibt sind das keine 800 € Rente seine Frau verdient ebenfalls 10 € brutto die Stunde arbeitet 6 Stunden am Tag sie haben zwei Kinder bevor sein großer Sohn seine Lehre begonnen hat musste said zum Amt um seinen Lohn aufzustocken said ver war ebenfalls ungelernt bekam aber schon in den 1980ern 24 Mark Stundenlohn für seine Arbeit er konnte im Gegensatz zu said seiner Familie ein gutes Leben ermöglichen Saids Wunsch wären 12 bis 13 € die Stunde damit das was wir verdienen wenn wir zu zweit arbeiten gehen reicht dass in der coronapandemie für essentielle Arbeiter innen geklatscht wird freut said doch materiell bringt es ihm nur einen 20 € Einkaufsgutschein im Sommer 2020 verpflichtet sich der Senat Berlins den Mindeststundenlohn für öffentliche Aufträge auf 12,50 € zu heben doch er gilt nur für neue Verträge und erst ab hohen Auftragsvolumen ob said den besseren Lohn bekommt bleibt ungewiss machen die Leute etwas falsch wenn sie Sicherheit oder genug Lohn für gutes Leben nicht aus eigener Kraft erreichen Friedrich zitiert Studien und Wissenschaftlerinnen um ihren anekdotischen Befund zu unterstreichen es ist heute kaum mehr möglich ungelernt allein durch Anstrengung zu bescheidenem Wohlstand und Teilhabe am Wachstum zu kommen wie es noch in der Generation der bis 1955 geborenen möglich war denen erlaubte die nivellierte mittelstandsgesellschaft ungekannte Wohlstandsgewinne beispielsweise den Bau von Eigenheimen nahezu unabhängig von der Art der Beschäftigung mit wenig Eigenkapital und nur einem Hauptverdiener in der Familie bis in die 1980er Jahre hinein war das Verhältnis zwischen den künften aus Arbeit und den Einkünften aus Kapital stabil seitdem galoppieren aber die Einkünfte des Kapitals davon während die Einkünfte durch Arbeit besonders in den unteren Lohngruppen stagnieren oder sogar sinken die Gründe dafür Globalisierung die Regulierung von Arbeit und Migration sie trugen zu Druck bei der in der Folge die oft großzügig ausgestatteten Arbeitsverhältnisse mit diversen Zulagen und betrieblichen Vergünstigungen für Wohnung Urlaubsreisen oder Kredit Aufnahme massiv zusammenstrich die Zerstückelung von Großunternehmen kappte interne Aufstiegschancen gerade für Leute ohne Ausbildung die Autorin lässt hier am Beispiel von Karstadt langjährige Mitarbeitende eindrucksvoll vom internen Wandel erzählen der erbmarkt ist so für viele jüngere entscheidender als der Arbeitsmarkt von dort kommt das stskapital für das eigene Häuschen denn die vermögste Kohorte sind die aktuell 70 bis 75-jährigen die die heutige Generation in Rente ist so gut ausgestattet wie es zukünftige Generationen nicht mehr sein werden Friedrichs wünscht sich hier eine Regierung die die Wohlhabenden unter den älteren zum Maßhalten zwingt besonders hebt die Autoren den Bruch im Osten hervor dort betrug der Lohnabstand zwischen Menschen in der Produktion und denen die Hochschulabschlüsse hatten nur 15%. das Eigentum an Immobilien oder Produktionsmitteln war kein relevantes Differenzierungskriterium diese gesellch der ökonomisch relativ gleichen wurde innerhalb kürzester Zeit massiv durchgeschüttelt von den im Jahr 1989 Erwerbstätigen arbeiteten vier Jahre später über zwei Drittel nicht mehr im ursprünglichen Beruf fast die Hälfte aller Beschäftigten wurde in den ersten 7 Jahren nach der Maueröffnung mindestens einmal arbeitslos die Wende fiel in die Phase als die aufstiegsmobilität auch im Westen stoppte der staatliche Mindestlohn hat zwar das Absinken der Löhne gestopppt aber an der ungleichen Verteilung der Gehälter nichts geändert nicht nur linke sondern z.B auch Vertreter innen der katholischen Soziallehre wollen dass Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand gelingt dazu gab es in den 1960ern auch politische Programme Vermögensbildungsgesetz Bauförderung sparfreibeträge echtes Miteigentum aber das Interesse daran ist erlmt Geld auf dem Sparbuch und in konservativen Geldanlagen verliert aufgund gr der Nullzinspolitik aktueller an Wert wieso wird das Geld aber bei reichen mehr sie leisten sich eigenes Personal das sich nur um die Anlage des Vermögens kümmert wer hat kann vermehren und noch etwas kommt den Reichen entgegen Deutschland finanziert sich vor allem durch Steuern auf Konsum und Arbeit Kapitalsteuern sind hingegen seit den 80ern in der westlichen Welt immer weiter gesunken die Vermögenssteuer ist seit 1997 ausgesetzt zwischen 1985 und 2018 ist der Durchschnittssatz der Körperschaftssteuer zuzüglich der Gewerbesteuer quasi die Einkommenssteuer der Unternehmen weltweit um mehr als die Hälfte gesunken von 49 auf 24%. in Deutschland sogar von 36 auf gerade einmal 15%. wer kann den nichtvermögenden helfen und was wären überhaupt erfolgversprechende Ansätze die Autorin spricht mit Wissenschaftlern Politikerinnen und Gewerkschaft Vertretern die Ideensammlung umfasst unter anderem Kapital stärker besteuern als Arbeit robusteres Bildungssystem das besonders diejenigen im Blick hat deren Eltern wenig Förderung leisten können Instrumente ähnlich des unter Adenauer bewerten lastenausgleichgesetzes oder eine andere Art der Vermögenssteuer Erbschaftssteuer wieder einführen generationenerechtigkeit überprüfen freiwillige Solidaritätsaktionen der reichen vermögensaufbaumaßnahmen sparfmodelle fördern Eigentum fördern z.B durch mietkaufmodelle oder betrieblich vergünstigte Kredite soziale Erbschaften also eine Art staatliches lebensstaatkapital stärkere Organisation der Interessen und dann beginnt die coronakrise Friedrich spricht mit ihren Protagonistinnen aber auch mit Forscherinnen und politischen Akteuren über deren Einschätzung ob die Krise die soziale Ungleichheit nivellieren oder verschärfen wird buchvotum working class ist ein eindrückliches leicht zu lesendes Feature mit deutlich persönlicher Haltung der Autoren sie appelliert dafür Regeln auf Dauer zu ändern und etwas Neues robusteres zu schaffen mehrfach formuliert sie ihren Wunsch nach Solidarität der besonders wohlhabenden in der coronakrise indem diese beispielsweise freiwillig mieten senken sollten gleichzeitig stellt Friedrichs das System selbst aber nicht in Frage sondern bekennt sich zum Kapitalismus die Idee dass jede die Freiheit hat zu Autoren des eigenen Lebens zu werden ist unübertroffen wenn Friedrichs aber feststellt dass in den vergangenen Jahrzehnten die Steuern für das obere Drittel der Einkommen gesenkt für die untere Hälfte deutlich erhöht wurden richtet sich dieser Befund gegen die aktuellen Regierungsparteien gerade der Sozialdemokratie hält die Autoren einen Spiegel vor wenn sie in Gesprächen mit mehreren SPD Repräsentantinnen ergründet warum die SPD nicht mehr als die natürliche Verbündete der working class gilt eine der zitatantworten die besonders nachdenklich stimmt wir können viele Dinge anders machen wenn wir gut wüssten was unser Ziel wäre und wo wir genau hin wollen dann wäre vieles machbar stimmt das ist der sozialen Demokratie der Kompass verloren gegangen wie will die soziale Demokratie weiter für eine solidarische progressive Gesellschaft mit gleichen Teilhabemöglichkeiten für alle einstehen wie das demokratische versprechen dass Leistung sich lohnt neu mit Leben füllen Julia Friedrichs angerissene fragen brauchen glaubwürdige Antworten einer sozialen Demokratie die für sich in Anspruch nimmt auf Seite der working class zu stehen