Kann ich meine Ängste wieder loswerden? – Mit Prof. Dr. Andreas Ströhle

Mein Name ist Andreas Ströhle. Ich bin an  der Charité, Campus Mitte, an der Klinik für   Psychiatrie und der Psychotherapie tätig. Ich arbeite dort seit über 20 Jahren. Mein Schwerpunkt ist Angst und Angsterkrankung  und wir haben auch seit vielen Jahren eine   Angstambulanz, die für Betroffene offen ist  und als Ansprechpartner dient. Hier kommen also eure Fragen und meine Antworten, oder  mein Versuch, Antworten drauf zu finden Im normalen Leben können ganz unterschiedliche Dinge Ängste auslösen. Das sind insbesondere bedrohliche Situationen oder bedrohliche Gegenüber - Sei es der Chef, sei es ein Raubtier oder sei es ein großer Lastwagen, der auf uns zukommt. Andere Situationen, die eine potenzielle Bedrohung darstellen, sind Dinge, die im normalen Leben Ängste auslösen können. Wir müssen unterscheiden, was Auslöser bei Angsterkrankungen sind. Das heißt, Ängste sind prinzipiell ganz normal und gehören zum Leben dazu. Aber es gibt darüber hinaus noch Angsterkrankungen, bei denen die Ängste übersteigert sind   und die Betroffenen durch diese Ängste, durch  die Symptomatik im Alltag beeinträchtigt und behindert sind. Wenn Jemand unter übersteigerten Ängsten leidet, dann ist er  dadurch beeinträchtigt. Zum Beispiel ist eine gewisse   Unsicherheit oder Ängstlichkeit von einem Referat oder vor   einem Vortrag vor Anderen ganz normal. Oder auch vor Prüfungen ist es ganz normal, etwas aufgeregter zu sein. Diese Aufregung, diese Anspannung, diese Ängstlichkeit führt auch mit dazu, dass wir uns gut vorbereiten und vermeiden dadurch, in eine schlechte, unangenehme, Situation zu kommen. Wenn ich aber wirklich Tage und Wochen vor einer Prüfung, vor einem Vortrag, schon so aufgeregt bin, dass ich mich nicht mehr konzentrieren kann, dass ich nicht mehr schlafen kann, dass ich im Alltag beeinträchtigt bin, dann kann es sein, dass es sich um eine Angsterkrankung handelt. Das heißt dann ist es wirklich eine übersteigerte Angst. Dann ist es eine Angsterkrankung. Wichtig ist auch immer, wenn es sich um übersteigerte Ängste handelt, sicher zu sein, dass nicht eine körperliche Erkrankung oder eine körperliche Ursache für diese übersteigerte  Ängste mit vorhanden ist. Zum Beispiel können auch viele körperliche Erkrankungen übersteigerte Ängste machen oder auch Angst als ein Warnsignal haben. Zum Bespiel bei einem Herzinfarkt. So dass es da wichtig  ist, ganz anders drauf zu reagieren, als wenn ich   einen gesunden jungen Menschen vor mir habe, der zum Beispiel vor Prüfungen Ängste hat. Viele Ängste, viele Angsterkrankungen, beginnen schon  relativ früh in Kindheit, Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Aber es gibt auch manche Ängste, die erst im mittleren oder im höheren Lebensalter auftreten oder bedeutsam werden. Das heißt, die  Ängste, die auftreten haben schon auch immer   etwas mit der Lebensphase des Menschen zu tun  und mit den Anforderungen, die an den Menschen gestellt werden. Bezüglich Angsterkrankungen ist  es auch so, dass die meisten eher früher beginnen. Aber zum Beispiel die generalisierte Angststörung, wo Menschen sich vermehrt Sorgen machen um sich oder um andere Menschen, die kann auch im mittleren oder im höheren  Lebensalter erstmals auftreten oder wieder auftreten und verstärkt zu einer Beeinträchtigung  führen. Bei Angsterkrankungen aber auch bei  der allgemeinen Disposition, ängstlich oder   weniger ängstlich zu reagieren, weiß man schon, dass Temperament und dass auch die genetische Veranlagung eine gewisse Rolle mitspielt. Aber was ganz ganz wichtig ist, selbst wenn ich in meiner Familie viele Menschen mit Angsterkrankungen habe oder mit anderen   Erkrankungen, heißt es nicht zwangsläufig, dass  ich wirklich auch selber diese Problematik bekomme. Sondern es heißt einfach, dass ich eine  gewisse erhöhte Wahrscheinlichkeit habe, auch diese Schwierigkeiten zu bekommen und  unter Umständen besser drauf aufpassen muss,   dass ich damit nicht Schwierigkeiten bekomme. Die Angst vor Spinnen ist, ähnlich  wie auch andere sogenannte spezifischen Phobien, verbunden mit unserer menschlichen  Entwicklungsgeschichte. Wir haben einfach bezüglich bestimmter Situationen oder Objekte eine größere Wahrscheinlichkeit, eine übersteigerte Angstreaktion oder auch eine Phobie zu entwickeln. Es gibt zum Beispiel kaum oder keine Zebrastreifenphobien   oder Ampelphobien. Aber Schlangenängste, Höhenängste  oder Spinnenängste sind sind sehr weit verbreitet. Wie bekämpft man die? Am ehesten wirklich durch eine  sogenannte Konfrontationstherapie Das heißt, ich muss mich mit den angstauslösenden Situationen oder Objekten konfrontieren. Aber wichtig ist auch, ich werde nicht ins kalte Wasser geschmissen, sondern ich nähere mich dem an. Ich übe das vorher, ich trainiere das, ich lerne Strategien, die Ängste  oder die Situation wirklich anzugehen und mich den Ängsten zu stellen. Ganz anders ist es jedoch, wenn es wirklich nur so ein Unwohlsein ist. Wenn ich nicht wirklich eine Phobie habe, sondern  eher ein gewisses Unwohlsein. Das heißt, wichtig ist wirklich auch immer eine Einschätzung der Situation. Ist es wirklich eine objektive Bedrohung oder Gefährdung? Oder kann ich wirklich die Angst überwinden und mich der Situation annähern? Auch wenn ich anfänglich nicht den Eindruck bekomme, es  könnte ja potenziell gefährlich sein. Auch bei der Sozialphobie ist es so, dass es eine Mischung aus biologischen und genetischen Vorbedingungen und auch   Lernerfahrungen ist, die für die Entstehung wichtig ist. Es muss wirklich immer im Einzelfall,    in der Regel auch in der Therapie, geschaut werden: Was hat  bei dem / bei der Betroffenen wirklich dazu geführt, dass sich die Symptomatik entwickelt hat. Eine Angst vor anderen Menschen kann man auch versuchen zu unterscheiden in auf der einen Seite die Ängste in beengten Situationen, wo viele Menschen in der Situation drin sind und die Angst oder die Unsicherheit, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Es kann sich natürlich auch vermischen. Insgesamt geht man schon davon aus, dass in Städten psychische Erkrankungen häufiger sind. Es gibt unterschiedliche Faktoren die da mit eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite kann man auch sagen, Menschen in Städten müssen sich eher mit anderen Menschen konfrontieren, was auch einen gewissen protektiven, schützenden, Effekt haben kann. Auch da ist es wieder ganz wichtig, zu unterscheiden: Handelt es sich um eine normale Angst oder um eine Angst im Rahmen einer Angsterkrankung?  Jetzt noch mal im ganz normalen Alltag ist es wichtig, wenn ich eine Angst verspüre oder erlebe, dann wirklich auch versuchen zu verstehen: Woher kommt die Angst? Was begründet die Angst? Ist die wirklich berechtigt, ist die übersteigert und wie gehe ich am besten damit um? Die Angst hat immer einen gewissen Warnhinweis für mich und ich sollte   da schon auch drauf achten. Aber manchmal kann es auch einfach ein Fehlalarm sein. Wie bei der Alarmanlage, kann auch beim  Menschen eine Alarmreaktion ausgelöst werden, auch wenn gar keine Bedrohung da ist. Dann ist es wirklich sinnvoll, Hilfe zu suchen im Sinne einer Therapie. Um auch wirklich die Unterstützung zu bekommen, um die übersteigenden Ängste in den Griff zu bekommen. Hypnose ist kein anerkanntes Therapieverfahren in der Behandlung von Angsterkrankungen. Es gibt schon Entspannungen, autosuggestive Verfahren, zu denen auch die   Hypnose zählt, die als Bestandteil in manchen Therapien auch mit genutzt werden können.   Aber prinzipiell ist die Hypnose keine wirklich  anerkannte Therapie in der Behandlung von Angsterkrankungen. Es gibt leider keine Mikronährstoffe oder Ernährungsstile   oder andere Dinge, die sich wirklich nachgewiesenermaßen positiv auf Angsterkrankungen  auswirken. Bei allen psychischen Erkrankungen oder auch bei   den meisten körperlichen Erkrankung ist es wichtig, eine gesunde Ernährung zu haben und keine wirkliche starke Fehlernährung zu betreiben. Aber da wirklich therapeutisch aktiv zu werden durch die Ernährung, ist leider nicht möglich.   Am ehesten würden wir sagen, kann körperliche Aktivität und Sport eine   Alternative zu Benzodiazepin sein. Man weiß, dass durch körperliche Aktivität und Sport   ähnliche Mechanismen im Körper angestoßen werden, die auch in der Behandlung von Ängsten, von   Angsterkrankungen und auch von Depression genutzt  werden können. Angsterkrankungen sind prinzipiell  sehr gut behandelbare psychische Erkrankungen. Primär wird die Psychotherapie, kognitive  Verhaltenstherapie, insbesondere verwendet. Es können auch Medikamente verwendet werden  oder auch die Kombination von Psychotherapie und Medikamenten. Wenn man Medikamente in  der Behandlung von Angsterkrankung verwendet, sind es heutzutage insbesondere Antidepressiva, die nicht abhängig machen, bei denen es zu keiner   Gewöhnung kommt und die nicht dazu führen, dass  der Mensch in seiner Persönlichkeit und seiner Art verändert wird. Besonders interessant an dem Thema ist, dass es ein  Wechselspiel von biologischen und   von psychologischen Faktoren ist, die bei Ängsten, bei Angsterkrankungen, ganz eng zusammenspielen   und wie man in den beiden Bereichen ansetzen  kann, um positive Effekte auch in den anderen Bereichen zu erzielen. Ein weiterer Punkt ist natürlich auch: Ängste und Angsterkrankungen lassen   sich wirklich sehr gut behandeln und das ist ein  sehr sehr dankbares Arbeits- und Aufgabenfeld   für uns als Psychiater und als Psychotherapeuten. Vielen Dank für euer Interesse, für eure Fragen. Ich denke, das Thema ist eines, was zum Leben dazu gehört. Da macht es schon auch Sinn, sich mal mit zu beschäftigen. Wer Sorge hat oder auch schon weiß, an einer Angsterkrankung zu leiden oder Hilfe und Stützung sucht, gerne auch an  unsere Angstambulanz wenden über die Homepage   der Klinik und der Homepage der Charité. Es gibt auch an der Charité sicher noch   ganz ganz viele andere spannende Themen  und Fragen, die beantwortet werden können. Ihr wollt auch Fragen stellen? Dann folgt uns auf  Instagram! Dort kündigen wir alle Episoden an und   wählen eingesandte Fragen aus. Danke fürs zuhören und bis zum nächsten Mal bei BETTER ASK CHARITÉ

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