Guten Abend, Herr Ramelow. Danke, dass Sie sich
die Zeit für uns nehmen. Aber ich denke, es ist für Sie ein ganz bitterer Abend. Guten Abend.
Nein, es ist erstmal für mich ein guter Abend, denn tatsächlich war die Wahlbeteiligung so hoch
wie nie, und das ist der Festtag der Demokratie. Wahlen gehören zur Normalität in der Demokratie,
das unterscheidet uns von anderen Staaten, und deswegen begrüße ich das ausdrücklich und
bedanke mich bei den Wählerinnen und Wählern, die sich alle heute aufgemacht haben. Wenn
Sie mich fragen, wie es mir dabei geht: Ich bedauere sehr, dass es nicht gelungen ist,
meine Beliebtheitswerte damit zu verbinden, was wir an realer Politik in den letzten fünf Jahren
gestaltet haben. Denn die Minderheitsregierung war kein Spaß, das war kein vergnügungspflichtiger
Vorgang, sondern wir haben hart arbeiten müssen und hatten öffentlich immer den Eindruck, als
würde es nicht so rundlaufen, weil wir keine Mehrheit im Parlament hatten. Aber 146 Gesetze
und Verordnungen, darunter 22 Initiativen der CDU, haben wir gemeinsam im Parlament über die Bühne
bekommen. Das ist uns aber nicht oder mir und meiner Partei nicht gutgeschrieben worden.
Und das BSW ist angetreten – das hat mir Katja Wolf im Januar gesagt – sie wollten die AfD um
17% reduzieren. Insofern kann man jetzt sagen, auch das ist nicht eingetreten. Soweit ist es ein
komplizierter Abend. Wie soll es Ihrer Meinung nach weitergehen? Soll Mario Voigt eine Regierung
gegen die AfD bilden, in die alle linken Parteien eintreten, oder würden Sie Voigt empfehlen, es
mit einer Minderheitsregierung zu versuchen? Oder sehen Sie eine ganz andere Lösung? Regierung
bildet man nicht gegen eine andere Partei, und auch in Thüringen wird es keine Regierung
gegen irgendjemanden geben, sondern man bildet eine Regierung für das Land Thüringen. Ich habe im
Wahlkampf durchgängig gesagt: Ich bekämpfe keine andere demokratische Partei, ich bekämpfe
nur die Normalisierung des Faschismus, die von Björn Höcke jeden Tag betrieben wird.
Diese Normalisierung des Faschismus ist etwas, bei dem ich klar sage, da kann ich mir nicht
vorstellen, wo die Schnittmengen zwischen Herrn Höcke und den demokratischen Parteien
sein sollen. Deswegen bleibe ich dabei, was ich im Wahlkampf gesagt habe: Der, der die
meisten Stimmen im demokratischen Spektrum hat, möge bitte die Gespräche beginnen, und ich
werde ihn dabei unterstützen. Insofern gibt es keine Allparteienregierung von links, sondern
es gibt die Herausforderung, dass wir zu einer Mehrheitsregierung in Thüringen kommen. Und ich
wünsche, dass Herr Voigt anfängt, die Gespräche zu führen, und ich wünsche mir, dass wir ihn dabei
unterstützen, egal, welche Funktion ich dabei habe oder welche Funktion anschließend meine Partei
dabei hat. Wir brauchen eine Mehrheitsregierung in Thüringen, um Entscheidungen zu treffen, und
wir müssen aufpassen, dass im Parlament nicht die AfD die demokratischen Parteien erpressen kann.
Nun steht dem ja entgegen, dass die CDU diesen Parteitagsbeschluss hat, nachdem Herr Voigt gar
nicht mit Ihnen zusammen regieren darf. Würden Sie eine Regierung Voigt auch als Minderheitsregierung
stützen, indem Sie ihm über den Haushalt helfen oder bei bestimmten Gesetzen im Parlament? Schauen
Sie, das haben wir jetzt fünf Jahre lang gemacht. Die CDU hat uns immer die Wege mit geebnet, wenn
es darum ging, die kommunale Familie zu schützen und zu stützen. Wir haben in den fünf Jahren den
kommunalen Finanzausgleich von 2 Milliarden auf 4 Milliarden gehoben, das ist eine stolze Zahl.
Wir haben sehr viel Geld investiert in Schulen, in Bildung, all diese Dinge. Wir haben das
Kindergartengesetz gerade gemeinsam mit Mehrheit im Parlament geändert. Wir haben das
Schulgesetz gemeinsam geändert und sogar die Verfassung gemeinsam geändert, damit das Ehrenamt
jetzt in der Verfassung steht und auch noch einen Millionenbetrag dazugegeben, um das Ehrenamt zu
fördern. Das ist alles gemeinsam mehrheitlich im Parlament unter Einschluss auch der Linken und der
CDU geschehen. Und die CDU-CSU-Ministerpräsidenten haben mich als Ministerpräsidenten auch zum
Bundesratspräsidenten gewählt. Insofern ist die Frage, wie man ideologische Beschlüsse
aus einem Parteitagsbeschluss der CDU, der offenkundig aus dem Kalten Krieg kommt,
interpretiert. Wie beurteilt man das, wenn wir jetzt in einer Situation sind, in der wir eine
mehrheitsfähige Regierung brauchen? Und noch mal, ich sage ganz deutlich: Ich kann mir nicht
vorstellen, dass eine Minderheitsregierung, wie immer sie auch gestrickt ist, eine Lösung
wäre. Wir brauchen eine Regierung, die tatsächlich im Koalitionsausschuss die Dinge vorher klärt,
damit wir den Bürgern nicht immer das Gefühl geben, die kriegen nichts hin. Wir haben alles
hingekriegt, aber der Eindruck ist bei den Bürgern verfestigt gewesen: Die kriegen nichts hin. Und in
diese Gefühlswelt und in diese Angstsituation, die damit auch verbunden und getriggert wird, ist die
AfD eben immer weiter aufgestiegen. Und da müssen jetzt Demokraten zusammenstehen, diese Angst
nicht weiter zu schüren, sondern mit Realpolitik zu beweisen, dass wir handlungsfähig sind. Bodo
Ramelow, der noch amtierende Ministerpräsident von Thüringen von der Linkspartei. Herr Ramelow,
wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Danke auch.