Deswegen gibt’s Stress vor der Thyssenkrupp-Aufsichtsratssitzung Es ist eine düstere Inszenierung. 300 Kreuze, Grablichter auf der Wiese
vor der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp Steel, in der heute
die Aufsichtsratssitzung stattfindet. Betriebsrat Dirk Riedel ist pessimistisch. Egal, wie der Eimer sich dreht,
da kommt immer Scheiße raus. Und wir sind. Seit Wochen
werden wir im Dunstkreis gelassen. Keine Information. Der Stahlkonzern steckt in der Krise. Die Muttergesellschaft
ThyssenKrupp hat angekündigt, die Produktion von 11,5 Millionen Tonnen
im Jahr auf 9 Millionen zu senken. Rein rechnerisch könnte das auch den Abbau
von 2500 Arbeitsplätzen bedeuten. Ganze Standorte sind bedroht,
etwa die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann im Duisburger Süden, an denen ThyssenKrupp
zur Hälfte beteiligt ist. Angeblich gibt es einen Kaufinteressenten,
doch für den Betriebsrat sind viele Fragen offen. Wie sieht das Konzept aus? Wie sehen die Zukunftsperspektiven
an unserer für unsere Belegschaft aus? Und das ist sehr wichtig. Und wenn das alles stimmt, ist der Name
an unserem Werkstor nicht das Wichtigste. Seit zweieinhalb Wochen gibt es
eine Mahnwache vor Tor eins in Duisburg. 18 Stunden täglich. Eine Drohgebärde, dass ein
großer Arbeitskampf bevorstehen könnte. Aber erst mal müssten Fakten
auf den Tisch. Eine Aufsichtsrätin ist da skeptisch. Ich glaube nicht, dass uns wirklich alles gesagt wird. Ich glaube eher, dass es so ein bisschen
ist, dass der Koch den Deckel vom Topf einmal lüftet, wir einmal gucken
dürfen, was drin ist. Aber die Suppe ist noch nicht fertig. Die Kritik mangelnder Kommunikation
richtet sich vor allem an Konzernchef Miguel Lopez gestern Abend in drastischen
Bildern an Lopez Puppe im Sarg. Die Botschaft Er beerdigt Arbeitsplätze,
wir beerdigen ihn. Ob das schön ist oder
nicht, sei dahingestellt. Aber krasse Botschaften
müssen wir jetzt langsam senden, weil er hat auch keinen Respekt vor uns
mehr. Auf einem riesigen Banner
neben den Kreuzen steht. Rote Linie. Dirk Riedel ist sicher von der Konferenz
Etage aus ist dieses Zeichen heute gut zu sehen und auch gut zu fühlen. Diese Stimmung, die Atmosphäre dort. WDR-Reporter Tim Köksalan live aus Duisburg bei Thyssenkrupp Tim Köksalan ist jetzt live in Duisburg. Die Aufsichtsratssitzung, die läuft. Was ist da
heute schon konkret zu erwarten? Also nachdem,
was wir bisher vernommen haben, wäre es tatsächlich eher eine Überraschung, wenn man wirklich
konkrete Zahlen erfahren würde. Wie groß der Stellenabbau bei ThyssenKrupp
jetzt tatsächlich sein wird. Aber es wird einen Businessplan
geben, der vorgelegt wird. Und aus dem wird man vermutlich
auch schon ableiten können, wie sehr der Stahlriese
in den kommenden Jahren schrumpfen wird. Keine betriebsbedingten Kündigungen -
das ist die einzige Zusage, die die Unternehmensführung bisher
an die Mitarbeitenden rausgegeben hat. Und dass es denen nicht reicht,
das spürt man hier vor Ort auch. Große Verunsicherung vor der Sitzung. Man trommelt hier noch einmal,
man versucht, den Druck auf die Unternehmensspitze hoch zu halten,
man ruft immer wieder Stahl ist Zukunft. Und man will natürlich zusagen, sowohl
für die Jobs als auch für die Standorte. Aber man ist alles andere
als zuversichtlich, dass es die heute geben wird, weil die Kommunikation im Konzern
zuletzt auch eher gestört war. Also wenn es jetzt noch nicht zu konkreten
Entscheidungen kommt, also zu Zahlen, mit denen
die Beschäftigten auch arbeiten können, warum ist der Termin trotzdem so wichtig
und wird auch so emotional begleitet? Ja, weil hier buchstäblich
der Burgfrieden auf dem Spiel steht. Zuletzt hat es ja diese Verstimmungen gegeben beim Einstieg
des tschechischen Investors Kretinsky. Da machen die Mitarbeitenden dem Konzern große Vorwürfe,
dass das nicht gut kommuniziert wurde. Und eigentlich war ja dieser Zusammenhalt
zwischen Konzern und der Mitarbeiterschaft immer das,
was ThyssenKrupp ausgemacht hat. So hat man ja zum Beispiel
auch erst vor wenigen Monaten die Zusage bekommen, hier 2 Milliarden Euro
Fördergelder für den klimaneutralen Umbau
zu grünem Stahl zu bekommen. Und gerade das ist auch ein Punkt übrigens, weshalb die Politik hier
sicherlich noch mal gut hingucken wird. Denn 2 Milliarden Euro
Steuergelder werden hier mutmaßlich auch dafür gegeben,
dass Arbeitsplätze gesichert wird. Und wenn jetzt ein kompletter Kahlschlag
hier bekanntgegeben wird, dann wird das sicherlich auch
kritische Stimmen aus der Politik geben. Ja, was für ein komplexer Fall. Wieder einmal
und unendlich scheint er auch. Tim Köksalan. Dankeschön nach Duisburg.