Ich bin wütend, sagt Olaf Scholz beim Besuch
des Anschlagsortes in Solingen. Gleichzeitig kündigt der Bundeskanzler eine Verschärfung
des Waffenrechts an. Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr Kritik muss sich der Kanzler an
seiner eigenen Sicherheits- und Migrationspolitik gefallen lassen. Ja, und somit stellt sich
die Frage, ob diesmal Konsequenzen auf den Terroranschlag folgen werden. Ankündigungen
gibt es zumindest genug: Messerverbote, schärfere Waffengesetze, effektivere
Abschiebungen. Über die Umsetzbarkeit der diskutierten Maßnahmen
aber redet so gut wie keiner. Unter die Trauer in Solingen mischt sich
immer mehr Wut. Wie konnte das Blutbad überhaupt passieren? SPD-Innenministerin Faeser
und FDP-Justizminister Buschmann demonstrieren Einigkeit, versprechen, aus dem schrecklichen
Vorfall Lehren zu ziehen. Auch klar ist, dass wir als Bundesregierung gemeinsam jetzt
auswerten werden und dann entscheiden, dass wir auch die entsprechenden Maßnahmen auflegen werden.
Das machen wir gemeinsam im guten Austausch. Muss dieser Dreiklang sein: aus entschiedener
Bekämpfung des gewaltbereiten Islamismus, der noch effektiveren, entschlosseneren Abschiebung
von Dublin-Flüchtlingen, und drittens kann man auch über das Waffenrecht sprechen, dann wenn es
einen sinnvollen Beitrag in solchen Situationen liefert. Was Buschmanns FDP aber noch immer nicht
will, ist eine Lockerung der Überwachungsverbote, wie es sie im Ausland längst gibt, etwa
Vorratsdatenspeicherung oder Videoüberwachung. Wenn ich nach Großbritannien schaue, auch
in andere Länder, da finden bei öffentlichen Veranstaltungen generell Videoüberwachungen statt.
Ich glaube, das ist ein probates Mittel. Wir sehen das ja auch bei den U-Bahnhöfen in Berlin oder
dort. Doch Sicherheit entsteht nicht nur durch polizeiliche Maßnahmen, sondern auch dadurch,
dass weniger potenzielle Gefährder ins Land kommen. CDU und CSU fordern daher sofort
Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, gleichzeitig einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge
aus diesen Ländern. Wer dort Heimaturlaub macht, soll sein Aufenthaltsrecht verlieren.
Ausreisepflichtige Straftäter sollen unbegrenzt in Abschiebegewahrsam bleiben. Doppelstaatler,
die Terror unterstützen, sollen den deutschen Pass verlieren. Das sieht auch die AfD-Chefin Sarah
Wagenknecht so und will abgelehnten Flüchtlingen zusätzlich das Geld kürzen. Diejenigen, die
illegal einreisen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, die müssen auch tatsächlich unser
Land verlassen, und sie können auch nicht über Jahre soziale Leistungen bekommen. Das ist ja der
Fall, und das bezahlen die Bürgerinnen und Bürger, und die haben es auch satt, dass der
Staat sich auf der Nase herumtanzen lässt. Asylrechtsverschärfungen wären grundsätzlich
möglich, bei Bedarf sogar mit einer Änderung des Grundgesetzes. Unionsfraktionschef Merz hat
bereits signalisiert, CDU und CSU würden dabei mit der Ampel zusammenarbeiten und so für die nötige
Mehrheit sorgen. Wir wollen darüber sprechen. Zugeschaltet ist der Zeit-Kolumnist und Buchautor
Matthias Brodkorb. Herr Brodkorb, wir grüßen Sie. Ja, guten Abend. Das sind wieder Ankündigungen,
die wir schon etliche Male gehört haben. Glauben Sie denn, diesmal wird sich wirklich etwas
ändern? Ja, ich bin kein Wahrsager, deswegen kann ich das nicht mit letzter Sicherheit
sagen. Natürlich ist Skepsis angebracht, aber ich denke, dieses Ereignis hat schon
gezeigt, wie fundamental die Probleme in diesem Land sind, und deswegen gebe ich
die Hoffnung am Ende nicht auf, dass diese Botschaft irgendwann auch in Berlin
ankommen wird, und bei der Ampelregierung. Warum negieren denn so viele Politiker, auch aus
der Ampelregierung, die Gefahr des Islamismus hier in Deutschland? Ja, ich würde sagen, man hat sich
über viele Jahre in eine Erzählung verstrickt, also gegen Rechts und für Vielfalt und so
weiter und so fort, und die Konsequenzen, die damit verbunden sein können, hat man sich
offenbar nicht so richtig klar gemacht und scheint es schwer zu fallen, anzuerkennen, dass man sich
auch historisch geirrt hat. Also es ist ja klar, dass dieses Land die Möglichkeit hat,
Menschen zu schützen, die bedroht werden, aber inzwischen sind wir in einer Lage, dass
Menschen zu uns kommen, die nicht bedroht werden, sondern hier ihr Glück versuchen oder Glück
suchen und vor wirtschaftlichen Problemen fliehen. Und dafür ist das Asylrecht einfach
nicht gedacht. Es wird jetzt Zeit, glaube ich, dass alle politisch Verantwortlichen die
Karten auf den Tisch legen und eingestehen, dass in den letzten Jahren
vieles falsch gelaufen ist, und die entsprechende Rechnung wird
jetzt in dieser Gegenwart präsentiert. Aber was müsste sich denn konkret ändern, damit
es besser wird, damit wir als Bevölkerung besser geschützt sind? Also ich finde die Diskussion über
Messerverbote wirklich lächerlich. Friedrich Merz hat völlig recht: Nicht Messer bringen Menschen
um, sondern Menschen bringen mit Hilfe von Messern Menschen um. Und wenn man jetzt Messer verbietet,
dann sind es halt Scheren oder Schraubenzieher oder was auch immer. Also das ist völliger
Unfug, sondern es geht um folgende Kernfragen: Aus meiner Sicht kommen offenbar viele Menschen in
dieses Land illegal, die auch durchaus kriminelle und gewaltsame Ambitionen haben. Und zweitens
ist unser Sozialstaat im Moment so aufgestellt, dass er auch diese Menschen über Jahre hinweg
notfalls alimentiert, ohne dass sie irgendeinen Beitrag leisten zu ihrer eigenen wirtschaftlichen
Selbständigkeit. Und auch so kann Integration nicht funktionieren. Also wir haben erstens
das Problem, dass Menschen unkontrolliert in dieses Land kommen, die eigentlich
gar keinen Anspruch darauf haben, und der deutsche Sozialstaat unterhält diese
Menschen dann auch noch, ohne von ihnen eigene Anstrengungen zu verlangen. An beiden
Stellen müssen Dinge passieren, das sind die entscheidenden Fragen und nicht irgendwelche
Ablenkungsdiskussionen über Messerverbote. Das halte ich für eher eine Kapitulationserklärung
und das ist für mich eher lächerlich. Also diese anderen beiden Fragen sind die entscheidenden, und
ich würde sagen, da hat Friedrich Merz jetzt einen Punkt gemacht. Auch wenn ich Sozialdemokrat
bin, muss man anerkennen, dass er die Lage, in der wir uns befinden, im Moment offenbar sehr
viel realistischer sieht als meine eigene Partei. Ja, also Sie sprechen schon die Partei an.
Solingen ist passiert gut eine Woche vor den Wahlen in Thüringen, in den ostdeutschen
Bundesländern, und da könnte nach aller Voraussicht die AfD stärkste Kraft werden, und
die Koalitionsbildung könnte extrem schwierig werden. Wie schätzen Sie das ein? Jetzt, dieser
Terroranschlag, die Diskussionen, die Folgen, vor allem die immer wiederkehrenden Floskeln
auch der Politiker – könnte das vielleicht wirklich so ein Wendepunkt sein und könnte das
noch Einfluss haben auf die Wahlen in Thüringen? Also ich bin mir sehr sicher, dass es Einfluss
haben wird auf die Wahlen in Ostdeutschland. Man könnte fast sarkastisch sagen, es sieht
so aus, als hätte die AfD das geplant, weil eine Woche vor der Wahl ein solches
Ereignis ist natürlich Wasser auf die Mühlen dieser Partei. Deutschland diskutiert
jetzt schon seit vielen Jahren darüber, warum die AfD so stark ist, warum sie so viele
Wähler bekommt, und der Verfassungsschutz wird mobilisiert, Frau Faeser möchte ständig Gesetze
verschärfen. Meine einfache Botschaft ist: Es gibt sachliche Gründe dafür, warum die AfD
immer stärker wird, und das sind einfach Probleme, die in diesem Land bestehen und nicht gelöst
werden. Und wenn man etwas gegen die AfD tun will, muss man einfach die Probleme in diesem Land
lösen. Und ich würde sagen, wer es nach Solingen noch nicht begriffen hat, dass es nicht so
weitergeht, dem ist nicht mehr zu helfen, sagt Matthias Brodkorb. Vielen Dank für diese
klärenden Worte. Danke schön, guten Abend.