Schwerelos: Sportbegeisterung mit Querschnittslähmung | Die Nordreportage | NDR Doku

Published: May 10, 2022 Duration: 00:28:54 Category: News & Politics

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Untertitel: Norddeutscher Rundfunk 2022 Ich bin Antonio Hömpler aus Hamburg, studiere Psychologie. Ansonsten mach ich viel Sport. Ich hatte 2010 'nen Snowboard-Unfall in Tirol. Hatte als Snowboardlehrer gearbeitet und bin über 'ne Rampe gesprungen. Die Landung war vereist, dadurch habe ich mir Rückenwirbel gebrochen und Rippen. Ich hab vorm Unfall schon Skateboardfahren und Snowboardfahren gemacht. Da war's nur logisch, wieder in Board-Sportarten reinzukommen. Ich hab mit Wakeboarden angefangen, dann hab ich von diesem Kitesurf-Camp gehört. Seitdem versuche ich Kitesurfen. Ich hab seit jeher Bock auf Action-Sportarten, so schwerelos übers Wasser zu fliegen, ist genial. Manchmal stellt sich was Unerwartetes in den Weg, so wie diese Steinmole. Das ist im richtigen Leben auch mal so. So 'n Glück, dass ich da nicht raufgeballert bin, sondern daneben. Weltweit gibt es nur eine Handvoll Rollifahrer, die Kitesurfen. Aber viele Wassersportverrückte, die vor Herausforderungen nicht zurückschrecken und Kitesurfen lernen wollen. Ich bin Thomas, Thomas Grundmann aus Hamburg. Ich bin Hals-Nasen-Ohren-Arzt in einem Krankenhaus. Wohne in Hamburg, geborener Hamburger, Vater von drei Kindern. Das war 2008 in Südfrankreich an der Cote d'Azur, ein Tauchgang. Bei dem ich, ohne es zu wissen, zu tief und zu lang getaucht bin, vom Tauchguide hochgeschickt wurde, ohne Austauschstufen zu halten. Dann entsteht die Taucherkrankheit, Stickstoffblasen im Rückenmark, die zur Querschnittslähmung führen, mit Verzögerung. Erst war's komplett, wo ich nicht mehr sitzen konnte. Das obere Brustmark war betroffen. Es hat sich zurückgebildet bis auf eine erhebliche Gehstörung und andere Beschwerden, die da sind. Es ist 'ne inkomplette Querschnittslähmung. Vor dem Unfall war ich 30 Jahre Windsurfer, das war für mich so 'ne Faszination. Windsurfen geht wirklich nicht mehr. Kitesurfen wär die Chance, dass man auch mit Handicap aufs Wasser kommt, mit Wind und Wellen. Beim Wintersport hab ich's geschafft, jetzt will ich's aufm Wasser schaffen, mal gucken. Ich bin hochmotiviert. Ich bin Kirsten Bruhn. Ich bin ehemalige paralympische Schwimmerin, hab vor vier Jahren meine Karriere beendet. Bin also kein Kaderathlet mehr. Meinen Unfall hatte ich im Juli 1991 auf der Insel Kos, Griechenland. Ich war mit meinem Freund unterwegs, auf einer Crossmaschine. Serpentinen bergauf muss man wieder runter. In einer Kurve bekamen wir Gegenverkehr, haben die vergrößert und sind rausgerutscht. Ich bin unglücklich gefallen, und habe seitdem 'nen inkompletten Querschnitt. Übergang zwölfter Brustwirbel zum ersten Lendenwirbel. Kitesurfen vermutlich, weil es mit Wasser zu tun hat, weil es mit Natur zu tun hat. Es ist an der Luft, ist insofern eine Herausforderung, als dass verschiedene Elemente aufeinandertreffen. Es ist der Wind, das Wasser. Und dann kommt noch Kirsten, das ist die oberste Kraft. Sitz-Kitesurfen ist noch neu. In Norddeutschland gibt es zwei Kitesurf-Lehrer, die Pionierarbeit leisten. Ich bin Hücki, Dirk Hückstädt. Die meisten kennen mich als Hücki. Seit 2001 kite ich und hab im Herbst 2001 die Kite-Lehrerausbildung gemacht. Ich hatte in dem Jahr bereits einen jungen Österreicher, der hier als Surflehrer arbeitete, begnadeter Windsurflehrer. Der ist beim Snowboarden übel in der Halfpipe gestürzt und hat sich 'n Rücken gebrochen. 2002 im Herbst, da rief er mich an und sagte: Ich hab gesehen, ihr kitet. Windsurfen wird nicht mehr das für mich, was es war. Ob ich ihm Kitesurfen beibringen könnte. Dann haben wir im Winter angefangen, uns Gedanken zu machen: Wie muss 'n Brett aussehen? Wie muss 'n Schirm-System sein? Wie muss ein Sitz aussehen? Wir haben drei Jahre gebraucht. Drei Jahre, bis wir Nick dazu gekriegt haben, zu fahren. Mit seinem Kumpel dauerte es drei Stunden, bis er fuhr. Da wussten wir, wie's geht. Hallo, ich bin Tobias Michelsen und hab 2015 den gemeinnützigen Verein Sail United gegründet. Unser Hauptziel ist: Menschen mit körperlichen und geistigen oder Mehrfachbehinderungen die ganze Palette an fast allen Wassersportdisziplinen vermitteln. Kitesurfen ist sicherlich keine richtige Extremsportart, eher 'ne Fun-Sportart. Wenn man in Betracht zieht, dass Rollifahrer das lernen wollen, die nur ihren Oberkörper einsetzen und bewegen können: Dann geht das in Richtung Extremsport, auf jeden Fall. Ich find's wichtig zu zeigen: Wir sind nicht gebrechlicher als Gesunde. Das ist der gleiche Anspruch an Action-Sportarten mit Risiken. Das find ich wichtig. Das ist ein Aspekt. Wir können die Beine nicht bewegen, wollen aber Action-Sport machen, wie Mountainbiken, Skifahren, Kitesurfen. Es geht alles - mit dem entsprechenden Equipment. Das kann ich dir zeigen. Pioniere wie Hücki oder Toby sind Meister im Improvisieren und Erfinden von Sportgeräten. Müssen sie auch sein, denn es gibt kaum etwas von der Stange. Die erste Kitesurf-Stunde für Rollstuhlfahrer unterscheidet sich kaum von denen für Fußgänger. Wir machen erst 'ne Landübung. Du lernst erst, Lenkdrachen zu fliegen. Das ist die erste Einheit. Ich nehme 'nen Buggy mit, dann kann ich dich reinsetzen. Du sitzt bequem, dann fliegen wir. Das sind Kites, die wir auch aufm Wasser nutzen. Ich hoffe, es fliegt. Wir haben Untergrenzen-Wind. Aber schauen wir mal. An Land hat man die Kontrolle des Drachens schnell raus. Die ersten Versuche auf dem Wasser holen einen dann schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. So ein Kite hat schon bei wenig Wind viel Kraft. Da braucht es kräftige Hände, um mich in der richtigen Startposition zu halten. Dann geht es richtig ab. Das Schlimmste ist, wenn der Kite ins Wasser fällt. Da geht ohne Hilfe nichts. An erstaunte Blicke muss man sich als Rollifahrer gewöhnen, speziell wenn man Sachen macht, mit denen sie nicht rechnen. Sie denken, du bist bekloppt. Wie kann man in dem Zustand kiten? Wenn man erklärt, man sitzt in 'ner Schale, sagen sie schon: Ja klar, geht irgendwie. * Lachen * Geil. Behinderungen oder Lähmungen verbinden die meisten nicht mit eigentlich fast normaler sportlicher Aktivität. Wenn du als Rollstuhlfahrer, der in meinem Fall durch Unfall im Rollstuhl sitzt, erzählst, dass du Extreme machst: Die gucken dich an, als ob du gaga bist. So nach dem Motto: ein Querschnitt reicht doch. Ja, aber was hab ich für Alternativen? Entweder mach ich das, was ich immer gemacht hab, und bleibe in einer Stupidität oder ich entdecke Neues. Zu Hause in Hamburg geh ich regelmäßig Wakeboard fahren. Wakeboarden habe ich entdeckt bei der Internetrecherche. Dann fand ich die wenigen aktiven Wakeboard-Fahrer in Spanien, Italien und Frankreich. Durch deren Videos und Fotos konnte ich mir vorstellen, wie so 'n Gerät aussieht. Ich hab's mir mit 'nem Stahlbauer zusammen gebaut, weil es so was nicht zu kaufen gab. Dann habe ich rausgefunden: In Deutschland gibt es nur einen aktiven Wakeboarder, der Tricks macht, über Boxen rutscht und über Schanzen springt. An den hab ich mich gewendet, um das so gut wie möglich zu lernen. Wenn ich den Kollegen erzähle, was ich jetzt mache, halten die mich für wahnsinnig, aber gut. Der Wahnsinn stirbt zuletzt, und es macht Spaß. Wenn's klappt und man an jedem Spot der Welt kiten kann, wär's 'ne gute Sache. Ich hoffe, dass ich jetzt schneller rauskomme und dann den Kopf nicht unter Wasser hab. Mir wurden ja wieder Bodydrags angedroht, mal gucken. Ich bin fertig, aber hat Spaß gemacht. Ich bin am Ende. Neu für mich ist das Longboarden, was für Rollstuhlfahrer ungewöhnlich ist. Trotzdem muss alles so sicher wie möglich sein. Ich habe mehr Angst vor neuen Verletzungen. Wenn ich mir den Arm breche, hab ich halt keine Alternative mehr. Vorher hätte ich das gehabt. Ich bin mir bewusst, wenn ich Schulterprobleme bekommen, brauch ich 'nen E-Rollstuhl. Davor hab ich Schiss. Kirsten musste sich kürzlich an der Schulter operieren lassen. Ich bin keine 20 mehr und hab 25 Jahre Leistungssport betrieben. Leistungssport ist kein Mord, das will ich betonen. Aber es ist so, dass der Körper Verschleißerscheinungen hat. So wurden im Januar die Bizepssehne und die Subscapularis-Sehne rekonstruiert. Hat zur Folge, dass ein Jahr Rehabilitation angesagt war. Ich bin in der 34. Woche. Die Ärzte sagen, ich bin gut in der Zeit. Ich finde, ich bin nicht gut in der Zeit. Mir geht das zu langsam. Jede OP heißt für Rollstuhlfahrer, eine weitere Reha zu überstehen. Es ist so, dass man zurückerinnert wird. Es ist so, dass nur die Momente zurückkommen, die echt fies waren, wo man so hoffnungslos war. Wo man nichtwissend, nichtsahnend in ein Nirvana ging. Manchmal denke ich, die Schulter wird nie wieder wie sie war. Wenn sich das beim Schwimmen so bemerkbar macht und im Alltag, durch Schmerzen und keine Bewegungsfreiheit: Dann ist das eine zusätzliche Behinderung. Behinderung wünscht man sich nicht. Das ist was, was mich sehr, auch im Selbstbewusstsein, beutelt. Mit dem Wort Reha kommt einem der erste Moment nach dem Unfall in Erinnerung. Man ist im Krankenhaus, wacht auf und kriegt 'ne Diagnose, und erfährt halt, dass man nie wieder laufen kann. Zuerst bist du in so 'ner Agonie, wenn du da auf dem Rücken liegst. Dann sagt der Arzt: Den Tauchgang werden Sie noch lange verfluchen. Ihr Leben wird ein anderes sein. Das sind deine Gedanken. Du weißt, Querschnitt ist Querschnitt. Ich lag in einem Raum, neben mir noch ein anderes Patientenbett. Intensivstation. Der Arzt meinte: "Das mit dem Gehen können Sie vergessen." Und war weg. Da hast du Phasen, die man durchdenkt. Erst denkst du: warum ich? Ist schnell beantwortet. Shit happens. Dann denkst du sieben Stunden darüber nach, was kommen kann. Von hochgelähmt, mit der Zunge so 'n Gerät bedienen, bis wieder ganz gesund. Dann kommt die letzte Stunde der Geschichte, das war die produktivste meines Lebens. Wo du dir einen Lebensplan stellst. Ich hab an mein Leben fünf Fragen gestellt, davon hab ich vier beantwortet bekommen. Das war eine innovative, produktive Stunde am Ende dieser Druckkammer-Fahrt. Ich hatte eine Rehabilitation in Boberg-Hamburg. Sieben Monate lang. Hätte ich gewusst, dass die Reha sieben Monate braucht, weiß ich nicht, ob ich nicht aufgesteckt hätte. Weiß ich nicht - von 'ner Brücke gesprungen wär. In der Reha ist man damit beschäftigt, irgendwie morgens sich überhaupt anzuziehen. Vom Bett in 'n Rollstuhl kommen, ist auch nicht leicht. Am Anfang ist man darauf fokussiert, was kann ich nicht? Es ist scheiße zu laufen, ich kann das und das nicht machen. Nach 'ner Weile kommt man darauf, sich darauf zu fokussieren, was kann ich machen? Was ist wichtig im Leben? Worauf kommt es an? Da sortierst und selektiert du gewaltig. Und das mit einer Gewalt, die du mit 21 Jahren ja nicht hast. Du bist aus der Schule, nicht Turnschuh, nicht Lackschuh, willst wissen, wohin das Leben dich führt. Du willst aber nicht von jetzt auf gleich erwachsen sein und immer über alles nachdenken müssen, was du tust. Das ist das, was in dem Moment passiert. Dir wird Spontanität genommen, also dieses Junge, dieses Frische. Das tut heute noch weh. Sport in der Reha ist unspektakulär, aber es hilft, aktiv zu werden und Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Als ich aus der Reha kam, hat mich am meisten das Handbike gerettet. Weil ich dadurch die Motivation hatte, durch halb Hamburg zu fahren und so Kondition aufzubauen. Dadurch hat man sich mobiler gefühlt. Kleine Treppen kann man auch mit einem Handbike runterfahren oder einhändig fahren. Man fühlt sich mobiler mit 'nem Handbike. Und ist auch nach 'ner Weile so mobil wie die anderen Freunde, die auch in Hamburg wohnen und kein Auto haben. Sobald man im Rollstuhl sitzt, bekommt die eigene Mobilität einen hohen Stellenwert. Was für mich das Handbike ist, ist für Thomas der E-Scooter. Ich bin eingeschränkt im Gehen. Ich kann 100 Meter laufen, dann muss ich in den Rollstuhl. Ich hab voller Neid die Segway-Fahrer gesehen, die aufsteigen und losfahren. Dann sah ich im Fernsehen, wie ein Schimpanse damit rumfährt. Kurz bevor das Ding umfiel, sprang der in die Büsche. "Was 'n Schimpanse kann, das kannst du auch!" Ich hab dann angefangen. Jetzt ist das 'n normales Sportgerät, wo ich mit einkaufen gehe, abends mal 'n Weinchen trinken. Je nach Situation kann ich den Rollstuhl lieben oder hassen. Meistens muss er einfach seinen Zweck erfüllen. Wir sind nicht Feinde, aber wir sind ein Arrangement. Wir wissen, dass wir uns brauchen. Er würde in der Ecke stehen, wenn er mich nicht hätte. Es ist nichts, was man nicht haben möchte, es ersetzt ja die Beine. Nach 'ner Weile mag man auch die Technik. Man freut sich drüber, 'nen neuen Rollstuhl zu kriegen neue Bremsen oder neue Reifen. Das gehört einfach zu dir. Ich hab mich schwergetan, weil der Rollstuhl Symbol der Behinderung war. Das ist das eine Ding. Das andere ist, dass der mir hilft. Ich hab akzeptiert, dass ich den Rollstuhl immer dabeihabe. Ich dachte, das würde stigmatisieren. Überhaupt nicht. Du bist der Gleiche wie vorher, du wirst so rangenommen, in Gespräche eingewickelt. Es ist nur 'ne andere Art der Fortbewegung. Die Froschperspektive stört. Wenn du sitzt an 'nem Stehtisch, musst du den Kopf hochhalten. Dann stell ich mich kurz mit an 'n Tisch, dann setz ich mich wieder. Das ist kein Gefummel, sind nicht 1000 Gurte, die ständig irgendwo verschwinden. Leider ist der Wind runtergegangen. Darum haben wir unseren größten Schirm aufgebaut, 17 Quadratmeter. Das ist schon ein Brocken. Aber ich denke, mit 'n bisschen Glück kommt Antonio damit zum Fahren. Das wollen wir probieren. Kite-Handling und der Wasserstart klappen jetzt gut. Was aber schwierig ist, ist die Balance auf dem Board. Festgeschnallt im Sitz hab ich kaum Möglichkeiten, auf eine falsche Position zu reagieren. Gerade frustrierend, weil's nicht funktioniert hat. Wir haben den Drachen nicht gestartet bekommen. Das war doof. Als er unten war, konnte ich mich nicht drauf konzentrieren, den wieder zu starten. Da war ich hilflos. Im Endeffekt habe ich dann den Safety gezogen, weil es nicht anders ging. Wie viele Liter Wasser geschluckt? Nur so 'n bisschen, aber jetzt noch nicht gefährlich. Ja, ist 'n bisschen schade. Aber egal. Ich fahre jetzt nur noch. Nicht mehr stürzen, nur noch fahren. Sieht schon richtig gut aus, oder? Die ersten 200 Meter am Stück schaffe ich jetzt. Der blöde Kite fällt mir aber zu oft ins Wasser. Also muss Hücki hinter mir herlaufen und mich neu ausrichten. Scheiße ist jedes Mal der Liter Wasser, den ich trinken muss, wenn der Kite mich unter Wasser zieht. Nach einer verpatzten Kite-Session fühlt man sich schon elend. An Land wird es richtig übel. Gerade fühl ich mich wie 'n Schiffbrüchiger und will einfach nur noch raus ausm Meer und Wetsuite. Im Vergleich zu Wakeboarden ist es ziemlich aufwendig und frustrierend erst mal. Man braucht den richtigen Wind, die Windstärke, Windrichtung. Dann müssen genug Leute da sein, man braucht 'n Rettungsboot. Es ist viel zeitaufwendiger. Man braucht mehr Geduld als fürs Wakeboarden, wo der Lift immer läuft. Ich will aber nicht aufgeben. Deshalb hat Hücki was auf Lager: Den Kite-Buggy. Der soll mir helfen, den Kite besser zu verstehen und somit kontrollieren zu können. Ich bin gespannt. Der Buggy ist eine Spezialkonstruktion mit Handlenkung. Bis ich Kite und Buggy unter Kontrolle habe und alleine fahren kann, sitzt Hücki hinten und lenkt. Jetzt gefallen mir Wattwanderungen auch wieder. Möglichst auf der Kante bleiben, um den Druck im Schirm zu halten. Das kriegen wir noch hin. Während Thomas und ich weiter üben, muss Kirsten aussetzen, denn sie soll die Schulter noch nicht übermäßig belasten. Ein herber Rückschlag. Meine Arme sind meine Beine, wie bei jedem Rollstuhlfahrer. Also noch mal mehr Belastung, was das Schultergelenk schon aushalten kann. Aber wenn Leistungssport dazukommt, ist irgendwann auch mal die Belastung an ihren Grenzen. So wie ich Kirsten kenne, wird sie nicht so schnell aufgeben. Kann ich's, kann ich's nicht? Habe ich noch 'n Talent, was so verborgen ist? Will ich alles ausprobieren? Ich weiß, wo meine Grenzen sind, aber beim Kitesurfen kann ich sie noch nicht definieren. Aber ich muss es ausprobieren. Mir geht's bei meinen Sportarten wie Wakeboard, Longboard fahren, Kitesurfen, mehr darum, neue Dinge zu erleben. Draußen in der Natur zu sein und neue Bewegungsabläufe an neuen Orten zu machen. Das ist viel wichtiger, als 'nen Extremsport draus zu machen oder immer schneller und immer höher zu werden. Ich sehe Sportler, die machen, was ich machen kann und besser sind, das ist 'n Ansporn. Ich mach fast mehr Sport als vorm Unfall. Du kannst machen, was auch ein Fußgänger machen kann. Außer Profifußballer werden. Nicht nur den groben Filter sehen, den man früher hatte, dieser Filter verfeinert sich. Man muss gucken: Wo glitzert's? Und dahin sich arbeiten. Jeder Rollstuhlfahrer, der hier ankommt, ist eine Herausforderung. Die haben alle andere Handicaps, verschiedene Lähmungshöhen. Wenn die die ersten Meter fahren und merken: Wow, sie können das - das ist umwerfend. Das ist ansteckend, so mitreißend, dass das in Worten kaum zu beschreiben ist. Ich glaube, die drehen innerlich durch. Die schreien nicht vor Freude, die sind zu stoke dazu, ich meist auch. Ich steh auch nur so da. Trotz körperlicher Einschränkungen kann man ein erfülltes Leben führen, wenn man weiß, wo man hinmöchte. Das hat weniger mit Behinderung zu tun, als generell mit der Einstellung eines Menschen. Was kann ich machen? Was will ich machen? Und diese Ziele zu verfolgen. ♪ Entspannte Musik ♪ Nach allem Üben, dem kalten Wasser, den kleinen und großen Hürden habe ich mein Ziel erreicht. Ich bin schwerelos! Copyright Untertitel: NDR 2022

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